Wenn Verbote und Richtlinien nach hinten losgehen – Die Macht negativen sozialen Einflusses
Eine alarmierende Nachricht auf Ihrem Schreibtisch: Die Präsenz der Mitarbeiter bei Meetings ist in den letzten Wochen zurückgegangen. Im Schnitt fehlten 7% der Mitarbeiter bei wichtigen Meetings – aus nichtigen Gründen! Innerlich kochen Sie.
Sie beschließen, den Mitarbeitern sachlich anzukündigen, dass viele Kollegen in der letzten Zeit ihre Teilnahme an Meetings absagten und dass der Zustand so nicht tragbar sei. Was passiert nun in der Folge?
Mehr Mitarbeiter werden fernbleiben!
Das Phänomen heißt ‚Negative Soziale Bewährtheit‘ und beschreibt das Verhalten von Menschen, sich in Entscheidungssituationen (zum Meeting gehen oder nicht) an den Ansichten und dem Verhalten anderer Menschen zu orientieren. Würden Sie also publik machen, dass viele Kollegen den Meetings fernbleiben, werden mehr folgen, weil sie sich unbewusst an Ihrer Aussage orientieren: ‚Na, wenn so viele wegbleiben, kann ich mir das auch einmal leisten – nur einmal.‘
So kontraintuitiv das Phänomen scheint – es ist universell und gut belegt. Beispielsweise entstehen wie von selbst Müllberge in Parks, wenn zufällig jemand Müll an einer Stelle zurück gelassen hat. Schema: ‚Aha, da liegt schon etwas – da kann ich meins dazuwerfen.‘ Und schon türmen sich die Bananenschalen.
In der ‚Petrified Forest Studie‘ zeigte Prof. Robert Cialdini, wie man es richtig machen kann – und wie man es falsch macht: Er brachte an den drei Eingängen des Nationalparks verschiedene Schilder an, die zum Ziel haben sollten, die durch die Touristen verursachte ‚Abwanderung‘ von Hölzern zu verringern. Auf Schild 1 stand: „Many past visitors have removed the petrified wood from the park, changing the natural state of the forest!“ – das Negative-Soziale-Bewährtheit-Schild. Schild 2 zeigte eine Person, die Holz stiehlt mit einem roten Kreis um das Bild und der Aufschrift „Please don´t remove the petrified wood from the park, in order to preserve the natural state of the forest!“ – eine ganz einfache Bitte. Am dritten Eingang wurde kein Schild aufgestellt. Um den Holzdiebstahl zu überprüfen, brachten die Untersucher markierte Hölzer an verschiedenen Stücken des Wegs an.
Das Ergebnis: Ohne Hinweisschild wurden 2,92% der Hölzer gestohlen. Mit der Bitte, dies zu unterlassen, sank die Quote immerhin auf 1,67%. Und beim Hinweis darauf, dass die Vielzahl von Holzdieben den natürlichen Zustand des Parks verunstalte? – Satte 7,92% der ausgelegten Hölzer wurden entwendet – die Quote stieg also beinahe um das 3fache an!
Was sollte man also tun? Formulieren Sie Bitten und Verbote klar und positiv. Und weisen Sie auf keinen Fall auf all diejenigen hin, die das unerwünschte Verhalten vorleben – sie werden Nachahmer finden. Und leere Räume.
gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer
Quelle: Cialdini, R. et al. (2006). Managing social norms for persuasive impact. Social Influence, 2006, 1 (1), 3-15
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