Spezial zu Partnerschaft und Ehe: Die Gefahren des Alltags

In Respekt und Zuneigung während des alltäglichen Umgangs miteinander scheint tatsächlich das Geheimnis einer dauerhaft glücklichen Paarbeziehung zu liegen. Das bestätigen viele wissenschaftliche Untersuchungen unabhängig voneinander. Doch was lässt dennoch viele Paare im Alltag Schiffbruch erleiden? Aus Studien, in denen Ehepaare über lange Zeit beobachtet und befragt wurden, können nun spezifische Verhaltensweisen abgeleitet werden, die ein Scheitern der Ehe vorhersagen.

Trennung und Scheidung sind schon lange keine Seltenheit mehr: Fast die Hälfte der in Deutschland geschlossenen Ehen werden bereits nach wenigen Jahren wieder geschieden. Fragt man nach den Gründen, hört man oft die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Sicher: materielle Abhängigkeit und Ansehensverlust zwingen heute immer seltener dazu, deshalb zusammen zu bleiben. Wurden Ehen aber früher aus diesen Gründen aufrecht erhalten, bedeutete das noch lange nicht, dass die Partner auch glücklich miteinander waren. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sind die Partner noch davon überzeugt, dass ihre Beziehung Zukunft haben wird. Wo aber liegt der Unterschied zwischen Paaren, die es schaffen, dauerhaft miteinander glücklich zu sein und solchen, die schon nach kurzer Zeit scheitern? Forscher der Universität in Washington entdeckten Verhaltensweisen, anhand derer sie diesen Unterschied erkennen können.

 

Die vier Vorboten des Scheiterns

Dr. Janice Driver und ihre Kollegen der Universität in Washington trugen Ergebnisse aus dreißig Jahren Forschung zusammen, in denen über 300 Paare regelmäßig befragt wurden. Durch die Auswertung dieser Ergebnisse konnte das Forscherteam spezifische Verhaltensweisen ausmachen, die sie als die „Vier Vorboten des Scheiterns“ bezeichneten. Ihre Ergebnisse lassen erkennen, dass eine Scheidung mit 94%-iger Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden kann, wenn alle dieser Vorboten bei den Partnern zu erkennen sind.

 

Persönliche Kritik

Persönliche Kritik, die global und als persönlicher Angriff formuliert wird, ist der erste dieser „Vorboten“. Das bedeutet nicht, dass man alles hinnehmen muss, was am Verhalten des Partners/der Partnerin stört. Konstruktives Feedback jedoch und sachliche Kritik wirken sich auf die Paarbeziehung auf Dauer stets positiv aus. Insbesondere, wenn sie nicht auf die gesamte Persönlichkeit, sondern auf spezielle Verhaltensweisen abzielen. Ist Kritik aber als Anschuldigung formuliert („Du bist so vergesslich!“) und beinhaltet sie globale Formulierungen wie „immer“ oder „nie“, führt sie zu einer Eskalation der negativen Emotionen, und die Partnerschaft nimmt langfristig Schaden.

 

Geringschätzung

Geringschätzende Bemerkungen, Sarkasmus, beißender Spott oder Beleidigungen tun keiner Beziehung gut. Sie sind das Gegenteil von Respekt und Zuneigung, den Qualitätsfaktoren guter Beziehungen. Stattdessen stehen sie für Empörung, Abscheu und Verachtung gegenüber dem Partner. Gleichzeitig verhindern sie die Chance zu versöhnlichen Schritten nach einem Streit. Taucht also dieser „Vorbote“ in einer Beziehung auf, ist diese stark gefährdet.

 

Rechtfertigung

Sich bei einer Anschuldigung oder selbst bei einem konstruktiven Feedback zunächst zu rechtfertigen ist ein weit verbreiteter Automatismus. Fatalerweise bewirken gerade Rechtfertigungen die Eskalation negativer Gefühle. Dr. Driver und ihre Kollegen raten daher, statt auch noch direkt zum Gegenangriff überzugehen und sich damit vor Angriffen und persönlicher Verantwortungsübernahme abzuschirmen, die Argumente des Gegenübers erst einmal anzuhören und sich damit vorzustellen zu können, wie sich der Partner gerade fühlt.

 

Abblocken

Manche Menschen tendieren dazu, bei einem Streit irgendwann „abzuschalten“: In der Hoffnung, der Partner werde sich bald wieder von allein beruhigen, versuchen sie sich zu schützen, indem sie gar nicht mehr zuhören, dem/der PartnerIn nicht mehr in die Augen schauen und weder verbal noch nonverbal reagieren. Ab diesem Moment ist selbst konstruktive Kritik wirkungslos, verpufft. Eine solche Situation fordert von beiden Partnern Fingerspitzengefühl: Abblocken gilt nicht, allein der Anstand gebietet es, seinem Partner weiterhin zumindest zuzuhören. Geht auch das nicht, ist es zielführender, wenn der Souveränere von beiden dieses situative Kommunikationsdesaster als solches erkennt und vorschlägt die Diskussion vorerst besser zu vertagen.

 

Der Umgang mit Konflikten erweist sich als ein entscheidender Faktor, der zum Gelingen, aber auch zum Scheitern einer Partnerschaft führen kann. Sollten Konflikte daher besser vermieden werden, um den Alltag möglichst harmonisch zu gestalten? Für manche Menschen ist die Antwort: Ja. Für die Mehrzahl jedoch muss die Antwort anders lauten. Wie genau, das wird der nächste Blog-Eintrag erklären.

 

Quelle:

Driver, J., Tabares, A., Shapiro, A., Nahm, E. Y., Gottman, J. (2003). Interactional patterns in marital success and failure: Gottman laboratory studies. In F. Walsh (Ed.) Normal family process: Growing diversity and complexity (3rd ed., pp. 493-513) New York: Guilford Press.

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