Kindlicher Spracherwerb durch Gesten – Was können Eltern und Großeltern tun?
Im Blog-Beitrag von gestern, 5.3.09 berichteten wir von einer Studie der University of Chicago, in der die Gesten der Kinder ihre eigene Sprachentwicklung fördern: 14 Monate alte Kleinkinder, die ca. 25 verschiedene Gesten beherrschen, haben später im Alter von viereinhalb Jahren durchschnittlich ein Vokabular von 114 Wörtern. 14 Monate alte Kleinkinder, bei denen nur ca. 15 verschiedene Gesten beobachtet wurden, können dreieinhalb Jahre später lediglich durchschnittlich 93 Wörter. Die Schere klafft mit zunehmendem Alter immer weiter auseinander. Es ist anzunehmen, dass sich die frühen Defizite im nichtverbalen Ausdruck auf die gesamte Kommunikationsfähigkeit eines Menschen auswirken.
Was können Eltern und andere nahe Bezugspersonen tun, um den Spracherwerb der Kinder schon früh zu fördern?
Die erste Regel lautet: Fördern Sie die Gesten, die Ihre Kinder machen, um etwas zu benennen. Sagen Sie zum Beispiel: „Ja, das ist ein Hund.“ Beschreiben Sie den Hund mit Ihren Worten für das Kind („Er macht wau-wau…, jetzt schäft er…“). Damit verstärken Sie aktiv die Kommunikationsfähigkeit der Kinder und das Benutzen von Gesten. Reagieren Sie auf die Gesten, die die Kinder machen und zeigen Sie den Kindern, dass Kommunikation sich lohnt, indem Sie freundlich sprechen und dabei lächeln. Verstärken Sie Gesten der Kinder bereits bevor Sie sprechen können mit sprachlichen Äußerungen. So lernen diese, dass verbale Kommunikation wichtig und sinnvoll ist.
Die zweite Regel: Seien Sie ein gutes Vorbild. Kinder profitieren gerade beim Spracherwerb extrem vom sogenannten Modelllernen. Sie imitieren Ihre Kommunikationsmuster, wenn sie der Meinung sind, dass diese Muster ihnen nutzen. Wenn Sie viel und oft Dinge benennen und verbal beschreiben, wird sich der Spracherwerb schneller vollziehen. Wenn Sie selbst Gestik und Mimik einsetzen, um Kommunikation effektiver zu gestalten, wird Ihr Kind das auch verstärkt tun – und seinerseits erfolgreicher kommunizieren.
Die dritte Regel: Gönnen Sie Ihren Kindern auch ab und zu Stille. Überfluten Sie sie nicht mit Information. Kinder brauchen die Stille, um Gelerntes zu „konsolidieren“. Umgangssprachlich sagt man, man sollte neu gelernte Dinge erst „sich setzen lassen“, damit sie später „sitzen“ und man sie erfolgreich anwenden kann. Kinder brauchen auch Zeiten der Stille, damit sie all das, was sie zuvor gehört haben, verarbeiten können. Schlecht wäre zum Beispiel, pausenlos den Fernseher laufen zu lassen. Gut dagegen, die Kinder auch einmal still vor sich hin spielen oder einfach schlafen zu lassen. Um dann wieder sprachlich und körpersprachlich mit ihnen zu kommunizieren.
Die Psychologinnen Susan Goldin-Meadow und Meredith Rowe von der University of Chicago untersuchten in einer Langzeitstudie den Zusammenhang von Gestik und Spracherwerb und deckten dabei auch gravierende Mängel bei der Kommunikation mit Kleinkindern auf. Der Spracherwerb von Kindern leide oft unter Stress, Zeitdruck und teilweise Interesselosigkeit der Eltern. Sie empfehlen, die Kommunikation mit Kindern bewusst zu suchen, denn von gelungenen Interaktionen profitieren nicht nur die Kinder, sondern unmittelbar auch Erwachsene. Wer ist nicht stolz und glücklich, wenn er erfolgreich mit Kindern kommuniziert, ihnen etwas beibringen kann oder sie zum Lächeln bringt?
Im nächsten Blog-Beitrag erfahren Sie einige biopsychologische Hintergründe des Spracherwerbs.
Quelle: Rowe, M, Goldin-Meadow, S, Ocskaliscan, S (2008). Learning words by Hands: Gesture´s role in predicting vocabulary development. First Language, 28 (2), pp. 182-199
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